Pfarrkirche St. Georg in Wasserburg

Georgs- oder Michaelskirchen wurden oft anstelle heidnischer Kultstätten errichtet. Die beiden Drachentöter sollten dabei den Sieg des Christentums über die heidnischen Kulte (symbolisiert durch den Drachen) veranschaulichen. Für Wasserburg fehlt ein geschichtlich gesicherter Hinweis darauf, aber die ehemalige Bodenseeinsel war nachweislich lange vor der Christianisierung bewohnt, wie Ausgrabungen belegen. Mehr darüber erfahren Sie im Wasserburger Museum im Malhaus. Das vor wenigen Jahren bei Ausgrabungen im Schlossgarten gefundene alemannische Frauengrab aus dem 5. – 6. Jahrhundert war mit großer Sicherheit keine singuläre Bestattung, sondern gehört in einen größeren Kontext. Es wäre nicht unwahrscheinlich, wenn die Kirche St. Georg in Wasserburg auf einem alemannischen Heiligtum mit dazugehörigem Gräberfeld errichtet worden wäre. Auch die Position von Kirche und Friedhof an der Seeseite der damaligen Insel könnte dafür sprechen. Die erste urkundliche Nennung der Wasserburger Kirche St. Georg stammt aus dem Jahr 784.

Die heutige Ausstattung von St. Georg zu Wasserburg ist eine Komposition aus den unterschiedlichsten Epochen der Kunstgeschichte, da Brandkatastrophen in den Jahren 1358 und 1815 viel vom Kirchenschatz von St. Georg zerstörten. Erhalten geblieben sind einige kostbare Stiftungen von Graf Leopold Fugger (15.11.1620 –  14.08.1662) und seinem Nachfolger im Kirchenschatz von St. Georg.

Der älteste erhaltene Teil der Kirche ist der wehrhafte Sockel des Turms aus dem  Hochmittelalter. Unter der Herrschaft der Fugger wurde der Turm im Stil des Augsburger Baumeisters Elias Holl erhöht und mit einer Zwiebelhaube bekrönt. Im massiven Turmsockel mit einer Mauerstärke von über 100cm sieht man noch einen Durchgang zu einer ehemaligen Kanzel, die sich auf der linken Seite des Chorraums befand.

Der spätgotische Chorraum ist um ca. 40cm nach rechts, aus der Achse des Kirchenraums verschoben. Er beherbergt neben dem barocken Hochaltar mit den beinahe lebensgroßen Statuen des Hl. Gallus und des Hl. Otmars die Statuen der Hl. Apostel Petrus und Paulus aus der Hl. Kreuz Kapelle am Wasserburger Nordfriedhof und die Pestpatrone Rochus und Sebastian am Chorbogen. Das Epitaph von Graf Leopold Fugger, der in Wasserburg seine letzte Ruhe fand, ist über der Sakristeitüre angebracht.

Bereits 784 wird eine Kirche St. Georg zu Wasserburg urkundlich erwähnt. Der älteste Teil der heutigen Kirche, der Turmsockel, stammt allerdings aus dem Hochmittelalter.

Wasserburg als Zentrum der Kultur

Im ausgehenden 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurden in Wasserburg bemerkenswerte Handschriften gefertigt und teilweise reich illustriert. In die gleiche Zeit fällt eine Geschichte, die Wasserburg – unfreiwillig – zu einem Zentrum der kulturellen Begegnung werden ließ. Grund dafür war der Kauf der Herrschaft Wasserburg durch die Herren von Schellenberg. Marquard I. und sein Bruder Ulrich waren Landvögte und freie Reichsministerialen, dadurch waren sie mit herzoglicher und königlicher Vollmacht in ihrem Gebiet ausgestattet.

Der Levit (Diakon) Rudger und der Priester Heinrich, beide Mönche des Klosters St. Gallen, vollendeten miteinander im Jahr 1295 eine wertvolle bebilderte Bibelabschrift in der Burg von Wasserburg. Dabei fügten sie zehn Seiten an, in denen Sie sich mit hebräischen Namen und der hebräischen Schrift auseinandersetzen. Diese „Interpretationes nominus Hebraicorum“ sind das bislang älteste bekannte Zeugnis für das Interesse für die hebräische Sprache am Bodensee. Der Historiker Karl Heinz Burmeister (1936 – 2014) zeichnete im Jahr 2000 eine plausible Verbindung der beiden gelehrten Mönche mit einem der berühmtesten deutschen Rabbiner jener Zeit nach: Rabbi Meir ben Baruch von Rothenburg, genannt MaHaRaM (um 1215 – 2. Mai 1293).

Rabbi Meir stammte aus einer weitverzweigten jüdischen Gelehrtenfamilie aus Worms. Nach seinem Studium in Würzburg, Mainz und Paris war er für 40 Jahre Rabbiner und Leiter einer großen Jeschiwa (Gelehrtenschule) in Rothenburg ob der Tauber, was ihm seinen Beinahmen einbrachte. Nach dem Tod seines Vaters kehrte er im Jahr 1276 nach Worms zurück, wo er im Jahr 1281 zum Rabbiner berufen wurde. Er war der Verfasser von vielen Rechtsgutachten und ist als Dichter liturgischer Gesänge bekannt, die zum Teil noch heute ihren Sitz im synagogalen Gottesdienst haben.

König Rudolf I. erließ im Jahr 1286 hohe Steuern für die Juden im Reich, worauf viele sich entschlossen nach Palästina auszuwandern. Welche Rolle Rabbi Meir für den Aufbruch der Juden hatte ist nicht zweifelsfrei zu klären. Er deutete die Bewegung sowohl charismatisch als spirituellen Aufbruch, weißt die Teilnehmer aber auch realistisch auf die Schwierigkeiten hin. Kaum über den Alpen wird er vielleicht in Meran oder Bozen von einem Konvertiten erkannt und angezeigt. Meinhart II. von Görz, Landvogt von Tirol, nimmt ihn daraufhin gefangen und lässt ihn der Überlieferung zufolge nach Wasserburg bringen. Dass es sich dabei mit einiger Sicherheit um Wasserburg am Bodensee handelt konnte der Historiker Karl Heinz Burmeister (1936 – 2014) mit guten Argumenten herleiten.*

Rabbi Meir war eine große Autorität unter den Juden im Reich, so dass König Rudolf I. ihn nach seiner Verhaftung sogar als Oberrabbiner Deutschlands bezeichnete und ihn stellvertretend für alle Ausreisewilligen als Kopf der Migranten festsetzte und zurückbringen ließ. Vom Tiroler Landvogt wurde er dem Schwäbischen Landvogt, dem Herrn von Schellenberg mit Sitz in Wasserburg am Bodensee, übergeben, wo er „im“ oder „auf dem“ Turm in den Jahren 1286 und 1287 festgehalten wurde. Zu dieser Zeit lebten am Bodensee einige wohlhabende Juden, bei denen die Adligen und Klöster verschuldet waren. Die Haftbedingungen in Wasserburg könnten daher milde gewesen sein. Eine Aufzeichnung von Rabbi Meir berichtet von einem Freitagabend in Wasserburg, bei dem christliche Dienstboten das Kaminfeuer schürten, damit die jüdische Gesellschaft die vorgeschriebene Sabbatruhe halten konnte.

Burmeister nimmt an, dass an einem solchen festlichen Anlass auch die gelehrten Mönche in Wasserburg teilgenommen haben und im Austausch mit dem berühmten Rabbi gekommen sind, was zum Nachtrag über die hebräischen Namen im nur wenige Jahre später vollendeten  Wasserburger Codex geführt haben könnte.

Es ist überliefert, dass ein Jozer genannter Gesang der jüdischen Liturgie, der vor dem „Höre Israel“ gesungen wird, von Rabbi Meir in Wasserburg gedichtet wurde.

Von Wasserburg wurde Rabbi Meir weiter in den Gewahrsam des Landvogtes in Ensisheim im Elsass verbracht, wo er bis zu seinem Tod am 27.4.1293 inhaftiert war. Selbst Papst Nikolaus II., der auf die Unschuld des großen jüdischen Gelehrten hinwies, konnte bei König Rudolf nicht dessen Freilassung bewirken. Erst nach der Zahlung einer immensen Geldsumme konnten 14 Jahre nach seinem Tod seine sterblichen Überreste im Jahr 1307 auf den jüdischen Friedhof nach Worms überführt werden.

Vielleicht ist es dem kulturellen Austausch im königlichen Verwaltungszentrum Wasserburg in den Jahren 1286 und 1287 zu verdanken, dass die furchtbaren Judenverfolgungen und der Pogrom des Jahrs 1298 am See keine Auswirkung hatte. Leider hatte dieses tolerante Klima keinen langen Bestand. Auch einer der Nachfolger der umsichtigen ersten Schellenberger Herren in Wasserburg, Marquard III., machte sich an einem Lindauer Schutzjuden schuldig, den er kidnappte um Lösegeld zu fordern. Der von Lindau angerufene Städtebund legte daraufhin Wasserburg am 24. Juli 1358 in Schutt und Asche.

Nach mehreren Pogromen in der 2. Hälfte des 14. Jahrhundert kam es im Sommer des Jahres 1430 am See zu einer brutalen Vernichtungsserie, in deren Folge das jüdische Leben am Bodensee für lange Zeit erlosch.

* Burmeister, Karl Heinz: Wasserburg als kulturelles Zentrum im ausgehenden 13. Jahrhundert. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung: 118.2000 S. 17-27

Statue des heiligen Bischofs Theodul von Sitten am rechten Seitenaltar, der im vierten Jahrhundert gelebt hat – er ist Schutzpatron der Winzer und gegen schlechtes Wetter

St. Georg – die Seekirche

Kaum eine Kirche am Bodensee ist von der Seeseite weithin so sichtbar wie St. Georg in Wasserburg. Sie verdient aber nicht nur deshalb den Namen „Seekirche“ und unsere Pfarreiengemeinschaft den Namen „Kirche am See“. Ein Gedicht im hiesigen niederalemannischen Dialekt spricht sogar vom „Kirchle im See“.

Eine Besonderheit sind die drei Seegfrörne-Tafeln an den Säulen der Kirche. Eine Seegfrörne ist eine totale Vereisung des Sees. Mehrere solcher Naturereignisse gab es in der Geschichte, aber drei wurden in Wasserburg als so herausragend gesehen, dass sie in St. Georg festgehalten worden sind. Besonders an den Wasserburger Segfrörne-Inschriften ist, dass sie festhielten, wie beziehungsweise mit was man auf den See ist: Im Jahr 1573 zu Fuss und zu Pferd, im Jahr 1830 zu Fuss, mit Pferd und Fahrrad, im Jahr 1963 schließlich nicht nur zu Fuss, Pferd und Fahrrad, sondern auch mit dem Auto und dem Flugzeug – und eine Zeitung wurde auf dem See gedruckt.

Eine der drei Seegfrörne-Tafeln an einer Säule in der Kirche

Die Gedächtniskirche

Nach dem Kirchenbrand im Jahr 1815 wurde die Kirche St. Georg unter vielen Entbehrungen wieder aufgebaut und erhielt langsam und nach vielen Umgestaltungen ihr heutiges Aussehen. Die letzte maßgebliche Neugestaltung erhielt sie nach dem 1. Weltkrieg. Der damalige Pfarrer und die Pfarrei, die Nonnenhorn und Bodolz noch umfasste, waren von den vielen Opfern und den schlimmen Berichten der Heimkehrer erschüttert. Die Kirche wurde damals bewusst zu einem Mahnmal für die Gefallenen. Auf Steintafeln wurden die getöteten und vermissten Soldaten seit den Napoleonischen Kriegen aufgelistet und die Fenster der Kirche tragen Namen von gefallenen Soldaten des 1. Weltkriegs aus allen Gemeindeteilen. Die Deckengemälde von 1918 greifen unter anderem die Tugenden auf, die beim Friedensvertrag am Ende des 1. Weltkrieges nach Ansicht des damaligen Pfarrers fehlten und somit Nährboden für neuen Unfrieden wurden.

Chronik der Pfarrkirche St. Georg zu Wasserburg

784 erste Erwähnung der Kirche St. Georg zu Wasserburg

819 wird Wasserburg als Malstätte des Argengaus erwähnt. Im Freien wurde zu Gericht gesessen.

924 wird die Insel durch das Kloster St. Gallen befestigt.

945 lässt der St. Galler Abt Engelbert die jungen und alten Mönche auf die Insel Wasserburg bringen, um sie vor den Ungarneinfällen zu schützen.

1282 wurde unter der Herrschaft der Schellenberger das Schloss gebaut und die Insel mit einer wehrhaften Mauer umzogen.

1358 zerstörte der Städtebund auf Veranlassung der Lindauer die Feste Wasserburg

1388 wurde die Pfarrei Wasserburg mit allen Rechten und Pflichten dem Kloster St. Gallen inkorporiert

1396 wurde der Turm neu gebaut

1436 wurde der heutige Chorraum von St. Georg durch den Bischof von Konstanz eingeweiht

1512 wurde das Kirchenschiff erweitert. Vorher wurde die Kirche St. Georg als „Basilika“ bezeichnet, also als Pfeiler oder Säulenkirche, wie sie die romanischen Kirchen der Reichenau sind.

1525 wurde in Wasserburg über die aufständischen Seebauern Gericht gehalten

1526 vermittelte Graf Hugo von Montfort, Lehensnehmer der Herrschaft Wasserburg, den Frieden von Altdorf (Weingarten) zwischen dem Haufen der Seebauern und Georg Truchsess von Waldburg („Bauernjörg“)

1607 wurde die Kirche St. Georg restauriert.

1646 wurde die Herrschaft Wasserburg von den Montfortern an die Fugger verkauft

1656 wurden Turm und Glocken durch einen Blitzschlag zerstört. Daraufhin wurde die große Glocke und die III. Glocke von Theodosius Ernst in Lindau gegossen

1662 starb Leopold Fugger hier in Wasserburg und wurde in der Kirche begraben. Sein Epitaph ist heute noch über der Sakristeitüre zu sehen

1667 wurde die II. und die IV Glocke von Peter Ernst in Lindau gegossen

1751 wurde das Schloss Wasserburg durch einen großen Brand zerstört

1755 wurde Wasserburg ein Teil Vorderösterreichs

1805 kam Wasserburg durch den Preßburger Frieden zum Königreich Bayern. Wieder mussten viele junge Männer in den Kriegsdienst der Bayern und Franzosen

1815 brannte der Dachstuhl der Kirche ab und ein Großteil der Altäre und der Einrichtung wurde vernichtet.

1885 Ablösung der aeratischen Baupflicht durch den Staat

1888 wurde die Kirche durch eine Renovierung mit einem anscheinend schlimmen Stilmix versehen

1918 – 1920 Einheitliche Restaurierung der gesamten Kirche mit neuen Gemälden von Prof. Hämmerle (München). Der Augsburger Bildhauer Reifmaier fertigte den Stuck.

1975 war erneut eine Renovierung erforderlich. Ein neobarocker Altar wurde für St. Georg geschaffen (heute in der Seitennische an der Südwand)

1989 am 8. Dezember wurde ins Pfarrhaus eingebrochen und dabei Pfr. Berthold Grabs schwer verletzt.

1993 wurde nach langer Planung das Pfarrheim St. Georg unter Pfr. Berthold Grabs eingeweiht

2004 Gründung der Pfarreiengemeinschaft. Die seit 50 und 40 Jahren selbständigen Pfarreien St. Christophorus zu Nonnenhorn und St. Johannes d.T. zu Bodolz & Schachen werden wieder vom Pfarrer von Wasserburg betreut

2014 Renovierung mit neuer Altarraumkonzeption unter Pfarrer Martin Steiner und Kirchenpfleger Hans Köberle

2017 – 2018 Renovierung des alten Waschhauses und der Hafenmauern am Pfarrhof

(Geografische Koordinaten der Kirche St. Georg: 47.566275, 9.629770)

Figur des Kirchenpatrons, des Heiligen Georg, links vom Chorbogen