Kapelle St. Jakobus in Nonnenhorn
In Nonnenhorn lebt ein selbstbewusstes und fröhliches Völkchen. Obwohl die Nonnenhorner über 1000 Jahre seelsorglich und politisch Wasserburg angegliedert waren, – oder vielleicht gerade deshalb – zeigt sich ihr Stolz besonders in der Ausstattung ihren beiden Kirchen, vor allem in der uralten St. Jakobus-Kapelle.
Schon um das Jahr 930 sind in den Pilgerbüchern von Santiago de Compostela Pilger vom Bodensee nachgewiesen. Mit der St. Jakobus-Kirche in Ahausen (ca.10. – 12. Jahrhundert) ist die Nonnenhorner Kapelle die älteste Jakobuskirche am See. Über ihren Bau und die Vorgängerbauten ist bis heute nichts bekannt, aber das Bauwerk spricht die Formensprache der Spätgotik im 15. Jahrhunderts.
Die Kapelle St. Jakobus gehörte seit jeher zur Pfarrei St. Georg in Wasserburg. Dort wohnte die Geistlichkeit: Der Pfarrherr, ein Benefiziat und meist ein Kaplan (=Vikar).
Am Sonntag waren alle Gläubigen der Pfarrei verpflichtet, ihre Sonntagspflicht in der Pfarrkirche zu erfüllen. Mit Benefiziat und Kaplan hielt der Pfarrer dann das feierliche „levitierte Amt“. Weil die Kapellen nicht die Rechte der Pfarrkirche hatten, durfte dort kein Sonntagsgottesdienst stattfinden. Kapellen dienten hauptsächlich der privaten Frömmigkeit, des gemeinsamen Gebetes beim Rosenkranz und für Andachten bei Sterbefällen, Marienandachten im Mai, bei Aussaat und Ernte, in Not, Gefahr oder zum Dank.
In „Nunnenhorn“ ist, laut den Aufzeichnungen des Klosters St. Gallen, für die Zeit um 1430 ein „Klusner“ vermerkt. Meist war die Klause einem Gotteshaus angeschlossen, damit der Klusner an den Sakramenten teilnehmen konnte. Dass es in Nonnenhorn einen Klusner gegeben hat, deutet darauf hin, dass zu jener Zeit bereits regelmäßig in der Kapelle die Hl. Messe zelebriert wurde.
In der Zeit des Kapuzinerklosters in Langenargen wird St. Jakobus seelsorglich von dort aus betreut. Dieses Kloster wurde von den Grafen von Montfort im Jahr 1694 gegründet und war in Nonnenhorn bis zu seiner Auflösung durch den Württembergischen König im Jahr 1811 (säkularisiert bereits 1807) tätig.
Scheinbar wurde in Nonnenhorn sehr viel gebetet, denn es gab Beschwerden der anderen Gemeindeteile von St. Georg, dass diese nicht länger gewillt seien, den hohen Wachsverbrauch der Nonnenhorner durch deren viele Andachten zu finanzieren. Wenn die „dasige“ Gemeinde so viel beten wolle, solle sie in Zukunft selbst die Kosten dafür tragen, schrieben die Gemeinden Mitten, Hege und Bodolz den Nonnenhornern. Diese hätten nichts lieber als das gemacht und hatten öfter das Bestreben eine eigenständige Pfarrei zu werden. Einer dieser Versuche wurde schon zuvor im Jahr 1780 von Kaiserin Maria Theresia und dem Kloster St. Gallen abgelehnt.
Ein großer Schritt auf dem Weg zur selbständigen Pfarrei wurde im Jahr 1856 getan. Der Oberreitnauer Pfarrer Johann Georg Köberle, der seit 1840 Dekan des Landkapitels Lindau war, stammte aus der Wirtschaft neben der Nonnenhorner Kapelle und setzte sein Vermögen dafür ein, dass in seinem Heimatort eine Kaplaneistiftung gegründet wurde, mit der ein „Kapitelkaplan“ angestellt werden konnte. Dieser Kaplan war für das gesamte Landkapitel (=Dekanat) Lindau für Aushilfen zuständig, konnte aber in der übrigen Zeit für St. Jakobus und die Seelsorge in Nonnenhorn da sein. Dieser taktische Schachzug von Dekan Köberle ging auf: Gegen einen finanzierten Hilfspriester für das Landkapitel konnten der Bischof von Augsburg und die anderen Pfarrherrn wenig sagen. Natürlich wäre so ein Kapitelkaplan in der Mitte des Dekanats besser angesiedelt gewesen als am äußersten Rand. Der Wasserburger Pfarrer erwirkte aber für die Kapelle, dass zur sonntäglichen Frühmesse in St. Jakobus nur die Alten und Fußlahmen gehen durften, keinesfalls aber die rüstigen Nonnenhorner. Diese hatten die Gottesdienste in der Pfarrkirche zu besuchen. Bei Missachtung würde das Nonnenhorner Sonntagfrühmessprivileg sofort wieder aufgehoben.
In Nonnenhorn zählte man im Jahr 1860 noch 16 Torkel, wie am See die Keltern beziehungsweise Weinpressen genannt werden. Der Wein und der See spielen bis heute eine große Bedeutung für Nonnenhorn. In den vorigen Jahrhunderten waren sie aber fast ausschließlich die wirtschaftliche Grundlage für den Wohlstand des Ortes. Dieser bescheidene Wohlstand und der Stolz der Nonnenhorner machten sich durch die Jahrhunderte im Stiftersinn bemerkbar. Die Kapelle St. Jakobus ist ein beredtes Zeugnis davon. Ihre Ausstattung gilt als überdurchschnittlich.
Die Holzskulpturen des Hans Rueland
Hans Rueland (auch Johannes Ruhland, Meister von Wangen) stammte aus dem Weiler Ruhlands bei Opfenbach im Westallgäu. Er sei ein Schüler des Ulmer Meisters Hans Multscher (um 1400 in Reichenhofen – 1467 in Ulm) gewesen. Multscher gilt als einer der einflussreichsten Bildhauer des 15. Jahrhunderts und Mitbegründer der „Ulmer Schule“. Nach seiner Rückkehr aus Ulm bezog Hans Rueland eine Werkstatt in Wangen im Allgäu und beantragte dort das Bürgerrecht, darum wird er in der Literatur auch „Meister von Wangen“ genannt.
Hans Rueland werden zum Beispiel die Madonnen von Eriskirch und Rankweil, die Schutzmantelmadonna von Markdorf, der Hl. Kolumban in Friedrichshafen oder etwa der Flügelaltar in der bischöflichen Hauskapelle in Trier (gekauft von einem Frankfurter Pfarrer, der selbst sammelte und restaurierte) zugeschrieben. Auch die Madonnen in der Klosterkirche Einsiedeln und die Madonna im Dom zu Feldkirch stammen sowohl aus der Zeit als auch dem Gebiet des Meisters von Wangen. Hans Rueland war in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts der gefragteste Holzbildhauer in der gesamten Region.
Die Hl. Katharina und der Hl. Johannes der Täufer an der linken Seitenwand der Kapelle gelten als Frühwerk des Hans Rueland und werden auf die Zeit um 1460 datiert.
Die Figuren des Hl. Jakobus des Älteren, des Hl. Johannes Evangelist und des Hl. Petrus sind Spätwerke desselben Meisters.
Die Kreuzigungsgruppe auf der rechten Seitenwand der Kapelle ist durch die Kartusche eindeutig datiert. Im Jahr 1646 wurde sie von Jacob Mayer und seiner Frau Elisabeth (Bauer?) Henner gestiftet. Die Stifter gedachten dabei ihrer Eltern, Jacob Mayer und Anne Dietlin, Ulrich Hener und Ursula Merck. Beide Männer waren Gerichtsgeschworene zu Wasserburg.
An der rechten und linken Chorwand stellen zwei kleinere Statuen den Hl. Nikolaus, Patron der Schiffsleute, aus den Jahren um 1680, und den Kapellenpatron, den Hl. Jakobus d. Ä. aus der Zeit um 1720 dar.
Die 14 Stationen des Kreuzwegs stammen aus der Hand des schwäbischen Barockmalers Andreas Brugger (1737 in Kressbronn – 1812 in Langenargen), die er in den Jahren 1805/1810 gemalt hat. Brugger wurde von den Grafen von Montfort im Jahr 1755 nach Wien zu Franz Anton Maulbertsch geschickt, um bei diesem „Vollender des Österreichischen Barock“ seine eigene Meisterschaft zu vollenden. Maulbertsch stammte aus Langenargen.
1200 Gulden brachten die Nonnenhorner im Jahr 1865 auf um zwei neugotische Seitenaltäre für St. Jakobus anzuschaffen. Diese beiden Altäre mussten aber auf eine Intervention des bayerischen Generalkonservators Hagen im Jahr 1912 wieder entfernt werden.
Hans (Johann) Kragler (1823 – 1903), der in den 1860er Jahren mit seiner Familie aus Augsburg nach Nonnenhorn zog, fertigte im Jahr 1871 den neugotischen Hochaltar mit den Augsburger Bistumsheiligen Ulrich und Afra und der zentralen Kreuzigungsgruppe.
Ein unterschätztes Kleinod stellt der linke Seitenaltar dar. Die drei Figuren des Hl. Josefs mit dem sprossenden Stab, Maria der Schutzfrau Bayerns (Patrona Bavariae) und des Hl. Gebhards mit der Kopfreliquie von Gregor I. stammen vom Münchner Bildhauer Prof. Thomas Buscher (1860 – 1937) aus den Jahren des 1. Weltkrieges. Nachdem die Madonna mit Kind gestohlen wurde fertigte Buscher 1920 eine Kopie an. Das Motiv der Schutzfrau Bayerns hatte damals eine besondere Bedeutung, denn der bayerische König Ludwig III. bat im Jahr 1916 Papst Benedikt XV. Bayern unter den besonderen Schutz Mariens zu stellen.
Die Emporenbrüstung zeigt Jesus als Christkönig und die zwölf Apostel. Sie wurden im Jahr 1942 von Generalkonservator und Kunstmaler Lothar Schwink (1886 in Erling – 1963) gemalt.
Das Archiv berichtet von vier alten und wertvollen Reliquiaren die gestohlen und aufgebrochen worden sind. Eines davon enthielt Reliquien der Hl. Verena. Heimatforscher deuten die Existenz eines Verena-Reliquiars in Nonnenhorn als Hinweis für einen ersten Kapellenbau noch in alemannischer Zeit.
Die beiden Glocken der St. Jakobuskapelle stammen aus der Zeit des 30-jährigen Krieges. In den Jahren 1636 und 1646 wurden sie vom Lindauer Glockengießer Theodosius Ernst (1603 – 1673?) gegossen. Im Jahr 1942 wurden die beiden Glocken abgehängt und eingeschmolzen. Heute hängen zwei neue Glocken im Dachreiter der Kapelle.
Im 30jährigen Krieg scheint die Kapelle arg in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein. Die beiden Glocken, der Kelch und die Kreuzigungsgruppe sind alle aus den Jahren gegen Ende dieser Schreckenszeit erhalten und deuten auf eine umfangreiche Instandsetzungsphase hin an deren Ende der Dachreiter von 1690? steht. Das Rankweiler Mirakelbuch „Marianischer Wallfahrer“ listet einige Begebenheiten auf, die Wallfahrer aus Nonnenhorn zu Protokoll gaben.
An die Kapelle wurde im Jahr 1834 die Sakristei angebaut. In den Jahren 1849, 1904-1910, 1941-1943 wurde die Kapelle renoviert. Seit dem Bau der St. Christophorus Kirche im Jahr 1961 und der Erhebung Nonnenhorns zur Pfarrei im Jahr 1964 wurde die Kapelle nur noch von den evangelischen Christen genutzt. Erst Pfr. i.R. Hans Gündele, der seit 2004 in Nonnenhorn lebt, feiert dort wieder regelmäßig die Heilige Messe. Er stiftete die Truhenorgel und vieles mehr für die Kapelle. Zuletzt fanden Renovierungen im Jahr 1977 und 1997 statt. Für die kommenden Jahre kündigt sich wieder eine umfassende Sanierung an.
(Geografische Koordinaten der Kapelle St. Jakobus: 47.576555, 9.609318)