Der Heilige Gallus
Der Hl. Gallus stammte wahrscheinlich aus Süd-West Irland und wird mit dem dortigen Gallarus Oratory in Verbindung gebracht. Die Irische Kirche entstand außerhalb der ehemaligen Grenzen des römischen Reiches. Sie entwickelte daher ihre ganz eigenen Formen und ein eigenes Rechtsverständnis. So war zum Beispiel der Osterfesttermin nicht am selben Tag wie in der römischen Kirche, sondern richtete sich nach der Rechnung der Ostkirche. Überhaupt hat die irisch-keltische Spiritualität und die Legenden ihrer Heiligen eine eher griechische als römische Ader. Einer Legende berichtet, dass der Hl. Patrick in einem koptischen Kloster auf den Îles de Lérins südlich von Cannes seine Missionarsausbildung erhalten haben soll.
Der Name Gallus wird aus dem Lateinischen abgeleitet und bedeutet „der Kelte“. Seine Sprachkenntnis deutet darauf hin, dass er seine Ausbildung, vielleicht sogar seine Kindheit schon im zweisprachigen Gebiet der Vogesen beziehungsweise des Elsasses verbrachte. Er war der erste Missionar Europas, der in der Sprache des Volkes predigte. An den Bodensee kam er um das Jahr 610 im Gefolge des Iren Columban (auch Columban der Jüngere oder Columban von Luxeuil). Hier fanden sie in der ehemals römischen Stadt noch Reste christlichen Lebens und restaurierten das Kirchlein der Hl. Aurelia [Gefährtin der Hl. Ursula].
Nach einem Streit zwischen den beiden zog Columban weiter nach Italien, während Gallus zunächst am See in Arbon blieb und später als Einsiedler im Steinachtal. Der Ortsname Scheidegg soll auf den Zwist der beiden Heiligen zurückgehen.
Auch wenn das spätere Kloster St. Gallen stark alemannisch geprägt war, verlor es nicht die Verbindung zu den irischen Wurzeln. Nachdem die Wikinger und später die Anglo-Normannen die keltischen Klöster Irlands mehrfach ausgelöscht haben, ist die sanktgaller Klosterbibliothek für die Geschichtsforschung der Iren von größter Bedeutung. In St. Gallen liegen heute wohl mehr irische Dokumente des Frühmittelalters, als in ganz Irland.
Gallus wird dargestellt als Mönch mit einem Bären. Als der Hl. Gallus auf der Suche nach dem richtigen Ort für seine Einsiedelei war, soll in der Nacht ein Bär ihm und seinen Begleitern die Lebensmittelvorräte aufgefressen haben. Der Hl. Gallus tadelte das Tier und gebot ihm, Holz für den Bau seiner Zelle herbeizuschaffen. Der fortan fleißige Bär erhielt im Gegenzug von den Einsiedlern Nahrung. Eine andere Legende erzählt, dass der Hl. Gallus einem Bären einen Dorn aus der Tatze gezogen hat, worauf der Bär ihm aus Dankbarkeit zu Diensten war. Der Gallusbär ist noch heute Bestandteil des Wasserburger Gemeindewappens.
Das Fest des Hl. Gallus ist der 16. Oktober.